Die Jungen Liberalen Baden-Württemberg fordern eine zufällige Anordnung (Randomisierung) der Reihung von Wahlvorschlägen der Parteien und Kandidaten auf Stimmzetteln bei Europa-, Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen. Eine Randomisierung der Reihenfolge der aufgestellten Kandidaten innerhalb der Listen ist hiervon ausgenommen. Wir sehen in unserer Forderung einen Beitrag zur Erhöhung der Chancengleichheit für Kandidaten und Parteien.
Nach der aktuellen Vorgehensweise werden die Listen mit den Wahlvorschlägen nach den bestehenden Machtverhältnissen anhand der letzten Wahlergebnisse der jeweiligen Ebenen und anschließend der alphabetischen Reihenfolge erstellt. Dies fördert eine Zementierung des Status Quo und benachteiligt systematisch sowohl kleinere Parteien und deren Kandidaten als auch Kandidaten, deren Namen weiter hinten im Alphabet stehen, und unabhängige Kandidaten.
Begründung
Die Beeinflussung des Wahlverhaltens, in Form von Vorteilen für auf dem Wahlzettel am Anfang oder Ende aufgeführte Kandidaten und Parteien, ist durch diverse wissenschaftliche Studien nachgewiesen. In der psychologischen Forschung werden diese Reihenfolgeneffekte im Allgemeinen als „recency-effect“ bzw. „latency-effect“ beschrieben. In der Politikwissenschaft und politischen Kommunikationswissenschaft ist der spezifische Effekt für Wahlzettel unter dem sogenannten „ballot order effect“ bekannt. In diesem Zusammenhang scheint der Effekt für kleinere Parteien und weniger bekannte Kandidaten größer zu sein. Auch die Eigenschaften der Wähler entscheiden darüber, in welchem Maße die Reihenfolge der Listen die Wahlentscheidung beeinflusst. Besonders bei politisch weniger informierten Wählern ist der Effekt größer.
Es lassen sich im politischen Alltag zahlreiche Beispiele finden, bei der sich die Problematik der Bevorteilung durch die Hervorhebungen von Parteien oder Kandidaten auf den Stimmzetteln zeigen. So etwa auch bei der Oberbürgermeisterwahl in Köln im vergangenen Jahr. Die Stimmzettel mussten, wegen der Hervorhebung durch die Schriftgröße (die Schrift der „SPD“ war größer gedruckt als die der anderen Parteien), erneut gedruckt werden. Die Gefahr einer Beeinflussung der Wähler sehen wir ebenso bei der Reihenfolge der Parteien und der Kandidaten auf den Stimmzetteln, da dies auch eine Hervorhebung darstellen. In Kalifornien werden daher aufgrund des Effekts der Beeinflussung die Wahlzettel schon seit Jahrzehnten randomisiert.1
Fußnoten
- http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/stimmzettel-in-den-usa-die-ersten-werden-die-ersten-sein-a-261850.html
Wissenschaftliche Studien zum „ballot order effect“ (Auswahl)
Alvarez, R. M., Sinclair, B., & Hasen, R. L. (2006). How much is enough? The”ballot order effect” and the use of social science research in election law disputes. Election Law Journal, 5, 40–56. doi:10.1089/elj.2006.5.40
Ho, D. E., & Imai, K. (2008). Estimating causal effects of ballot order from a randomized natural experiment: The California alphabet lottery, 1978-2002. Public Opinion Quarterly, 72, 216–240. doi:10.1093/poq/nfn018
King, A., & Leigh, A. (2009). Are ballot order effects heterogeneous? Social Science Quarterly, 90, 71–87. doi:10.1111/j.1540-6237.2009.00603.x
Miller, J. M., & Krosnick, J. A. (1998). The impact of candidate name order on election outcomes. Public Opinion Quarterly, 62, 291–330. doi:10.1086/297848